So vielfältig wie das Leben – Diversität in Kinderbüchern

So vielfältig wie das Leben – Diversität in Kinderbüchern

Ein Beitrag von Verena Niethammer

Mutter, Vater, Kind – das ist seit Generationen eines der Lieblingsspiele im Kindergarten. Dieses angeblich klassische Familienmodell zeigen auch viele Kinderbücher. Sieht man sich hingegen die gesellschaftliche Realität an, ist das Modell nur eines von vielen: Es gibt jede Menge Alleinerziehende, Patchwork- und Pflegefamilien sowie Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternpaaren. Inzwischen gibt es immer mehr Bücher, die diese Vielfalt abbilden. Manche machen diese direkt zum Thema, wie bei „Zwei Mütter für Oscar“ von Susanne Scheerer und Annabelle von Sperber, bei der zwei Frauen ihr Wunschkind über eine Samenspende bekommen.

Kinderliteratur, die das Anderssein bewusst ins Zentrum rückt, ist jedoch umstritten, denn die Betonung der Andersartigkeit kann die Spaltung und Separierung möglicherweise noch mehr zementieren. Gleichzeitig bieten sich diese Bücher an, um mit Kindern über Mobbing und Ausgrenzungserfahrungen zu sprechen. Beispiele hierfür sind die Bilderbücher „Irgendwie anders“ von Alexandra Sigmund, der Kinderbuchklassiker „Elmar“ von David McKee und „Pink Pinguin“ von Lynne Rickards. Gerade bei Themen, die Menschen zeigen, die von der vermeintlichen Norm abweichen – wie Menschen mit Behinderungen oder People of Color –, ist es sinnvoll, diese einfach beiläufig als Akteure darzustellen. Dadurch erfahren die Kinder, dass es viele Arten von Menschen gibt und dass sie alle dazugehören, ohne dass sie als etwas Besonderes herausgestellt werden.

Jedes Jahr werden Bilder-, Kinder- und Jugendbücher, die sich verschiedenen Bereichen von Diversität widmen, mit dem KIMI-Siegel für Vielfalt prämiert. Die Jury achtet bei den Neuerscheinungen neben den bereits erwähnten Kriterien auch auf weitere Aspekte: dass beispielsweise Personen, die krank sind oder in Armut leben, sowie verschiedene Sprach-, Kultur- und Glaubensgemeinschaften vertreten sind, um nur einige der möglichen Punkte zu nennen (mehr zum KIMI-Siegel: www.kimi-siegel.de).

Eine der KIMI-Preisträgerinnen des Jahres 2019 ist Constanze von Kitzing und ihr Wendebilderbuch „Ich bin anders wie du. Ich bin wie du“.

Hier finden sich Kinder verschiedener Hautfarben, Körpertypen, unterschiedliche Familienarten und Kinder mit Behinderungen selbstverständlich zusammen in Alltagssituationen beim Spielen, im Kindergarten, beim Sporttreiben oder Musikmachen. Das ebnet beim Lesen die Wege zu einem aufgeschlossenen, respektvollen Miteinander, weil jede der Figuren darin sowohl verschiedene Interessen als auch Eigenschaften mit anderen gemeinsam hat.

In divers ausgerichteten Kinderbüchern werden zudem schwierige oder tabuisierte Themen, wie Transsexualität oder Abweichungen von Geschlechterstereotypen, aufgegriffen und kindgerecht dargestellt, ohne negativ zu stigmatisieren. So möchte der Teddy Thomas lieber ein Bärenmädchen sein („Teddy und Tilly“ von Jessica Walton) und Julian träumt davon, eine glitzernde Meerjungfrau („Julian ist eine Meerjungfrau“ von Jessica Love) zu sein. Auch mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur ist in diesem Feld zu verorten. Dabei hervorzuheben ist die Reihe „Die inklusive Bande“ von der Aktion Mensch. Die Abenteuer der Freunde sind in jedem Band auch in einfacher Sprache sowie in der Blindenschrift Braille abgedruckt. Auf diese Weise können Barrieren beim Lesen gleich in mehrere Richtungen sichtbar gemacht und auch etwas abgebaut werden. Zu dieser Serie gibt es außerdem einige Begleitmaterialien online: https://www.aktion-mensch.de/inklusion/bildung/impulse/inklusion-material/bunte-bande.html

Wie häufig Diskriminierung und Rassismus auch heute noch im Alltag auftreten, ist vielen Menschen nicht bewusst. Oda Stockmann, die Betreiberin der Plattform „Diversity is us“, änderte ihre Sichtweise erst, als ein schwarzes Adoptivkind in ihre Familie kam. Sie war geschockt davon, wie Menschen ihrem kleinen Sohn begegneten. Heute gibt sie antirassistische Seminare und hat sich das Ziel gesetzt, unbewusste Vorurteile, die sogenannten „unconscious biases“, aufzuzeigen und einen konstruktiven Umgang mit ihnen zu unterstützen. Tipp: Im Shop auf www.diversity-is-us.de bietet sie neben diversen Kinderbüchern u. a. auch vielfältiges Spielzeug an.

Da Kindermedien wie Bücher die Gesellschaft wiedergeben, aber auch auf die Wirklichkeit zurückwirken, ist erfreulich, dass diese Sensibilität in vielen Verlagen für diverse Kinderbücher wächst. So geht auch Conni aus der deutschen „Musterfamilie“ in einer neuen Auflage des Klassikers in eine inklusive Kindergartengruppe.

Links zum Thema:

 

Fotos_Yuganov Konstantin_shutterstock.com, Tatiana Bobkova_shutterstock.com