Oona Devi Liebich im Gespräch
Liebe Frau Liebich, Sie sind eine sehr gefragte Schauspielerin, weshalb wir uns umso mehr bei Ihnen bedanken möchten, dass Sie sich für unsere besonderen Kinder – wie wir Kinder mit Handicap nennen – gerade auch in dieser außergewöhnlichen Situation Zeit genommen haben.
Sie als engagierte und berufstätige Mutter sind in Ihrem Job sicherlich sehr eingespannt und durch die unterschiedlichen Drehorte wahrscheinlich auch nicht permanent in der Nähe Ihrer Töchter und Ihres Partners. Wie kriegen Sie diesen Spagat hin? Oder kommt dann bei Ihnen schon einmal ein schlechtes Gewissen auf?
Das stimmt, als SchauspielerIn ist man viel unterwegs. Meine Familie hat oberste Priorität. Wir versuchen, immer zusammen zu sein. Bei meiner letzten Produktion, „Tonio & Julia“, hatte ich das große Glück, meine Familie bei mir zu haben, aber auch nur, weil es mir von meinem Arbeitgeber ermöglicht wurde. So mussten wir nicht ständig zwischen Berlin und Bad Tölz hin und her pendeln. Dadurch kamen wir auf die Idee, unsere große Tochter für einen gewissen Zeitraum dort auf die Schule gehen zu lassen. Es war eine Herausforderung für sie, aber sie ist daran sehr gewachsen und hat heute noch Kontakt mit ihren dort gefundenen Freundinnen. Bei unserer jüngeren Tochter haben uns meine Schwiegereltern sehr geholfen. Sie haben mit mir zusammen in Bad Tölz gewohnt. Ich will diese Zeit nicht missen.
Wir beschäftigen uns – nicht nur von Berufs wegen, sondern auch über unseren Verein Momo e.V. – mit mobilitätseingeschränkten Kindern, Geschwisterkindern und deren Familien.
Haben Sie bereits Erfahrungen in diesem Bereich gemacht und gibt es da in Ihrem privaten Bereich Berührungspunkte?
Ich selbst bin in einen integrativen Kindergarten gegangen. Als Kind mit Kindern aufzuwachsen, die nicht die gleiche Mobilität haben wie man selbst, sensibilisiert ungemein. Man hilft, wo man kann, und fühlt sich plötzlich ganz groß. Einer meiner Freunde dort hatte Trisomie 21. Wir haben viel von ihm gelernt und er von uns. Ich erinnere mich gerne an die Zeit zurück und bedauere es sehr, dass nicht alle Kindergärten so sind.
Sie sind beide berufstätige Eltern und in dieser schwierigen Situation wird vielen Eltern einiges abverlangt, z. B. Homeschooling.
Was würden Sie sich zu diesem Thema wünschen?
Die Schule und die LehrerInnen meiner ältesten Tochter haben die Situation von Anfang an unglaublich gut gemeistert. Bei vielen meiner Freunde hat es mit ihren Kindern und dem Distanzunterricht nicht geklappt, da es an den nötigen technischen Mitteln gefehlt hat. Ich wünsche mir, dass Schulen und Eltern jetzt umso mehr unterstützt werden sollten, damit keines unserer Kinder durch den Distanzunterricht benachteiligt wird.
In der Fernsehserie „Tonio & Julia“ spielen Sie eine engagierte Familientherapeutin.
Ist dies eine Rolle, in die Sie sich einarbeiten mussten, oder sind Sie auch im privaten Bereich ein bisschen Mediatorin?
Ich mochte die Rolle der Julia sofort. Ich empfand sie als aufregend, da das Thema Familientherapie für mich Neuland war. So habe ich mir Rat von einer Therapeutin geholt und auch viel auf dem Gebiet recherchiert. Für mich ist es ein bewundernswerter Beruf. Man versucht, dem Patienten zu helfen, ohne ihm seine eigene Meinung aufzudrücken – das ist gar nicht so leicht. Versuchen Sie das mal bei der nächsten Gelegenheit. (lacht)
Das Leben schlägt manchmal Haken und ist nicht immer planbar.
Unser Magazin Momo ist für Eltern und Kinder, die besonders sind. Es soll nicht nur Mut machen und zeigen, was im Alltag alles möglich ist, sondern auch Eltern und Betroffenen die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen. Betroffene Eltern für Eltern!
Was würden Sie unseren kleinen und großen Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?
Ich finde es großartig, dass es dieses Magazin gibt. Mut zu machen, ist stark. Sich gegenseitig zu helfen, ist noch stärker, gerade in so besonderen Zeiten wie jetzt. Ich wünsche allen Geduld und Zuversicht und gebe ihnen eine dicke Umarmung.
Vielen herzlichen Dank für dieses Interview!
Martina Lange
Chefredakteurin Magazin Momo –
Mobilität & Motion
Fotos: Michael Marhoffer, Susanne Bernhard © zdf.de_Fernsehserie Tonio & Julia