Im Gespräch mit Sascha Grammel
Vielen Dank, dass Sie sich für unsere „besonderen Kinder“, so nennen wir die Kinder mit Handicap, in unserem Magazin Momo Zeit genommen haben.
Mit Ihrem Bühnenprogramm „Ich find`s lustig“ erreichen Sie unterschiedliche Menschen jeglicher Altersgruppe. Wenn man Ihnen zuschaut, springt der Funke auf das Publikum über und Ihre Show ist fröhlich, erfrischend und selbstironisch.
Wie erklären Sie sich Ihre Wirkung auf die Zuschauer?
Puh, gleich zu Beginn so eine knifflige Frage. Ich freue mich natürlich immer wieder aufs Neue darüber, dass dieser berühmte Funke so schnell zwischen mir und meinem Publikum überspringt. Und sehe das auch nicht als Normalität, sondern als ein großes Geschenk, das mir da Abend für Abend zuteil wird. Wieso das so ist…? So genau weiß ich das nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich wirklich Spaß an dem habe, was ich da tue. Und das Publikum diese ehrliche Freude spürt. Ich bin tatsächlich so albern und generell für jeden noch so kindlichen Blödsinn zu haben wie es scheint. Und in den heutigen, manchmal sehr schwierigen Zeiten mit oft negativen Nachrichten und Entwicklungen, freuen sich die Menschen einfach, dass sie bei mir für zweieinhalb Stunden diesen anstrengenden Alltag vergessen und hinter sich lassen können. Und ich auch.
Sie sind Gründer des Benefiz-Projektes LACHEN TUT GUTes!, mit dem Sie unter anderem die Initiative „Rote Nasen – Clowns im Krankenhaus“ unterstützen.
Wie sind Sie auf dieses Projekt aufmerksam geworden? Warum unterstützen Sie gerade dieses Projekt?
Ich finde, wenn es einem selber gut geht und man Glück im Leben hat, dann sollte man etwas davon zurückgeben. Ich habe großes Glück und konnte meine größte Leidenschaft, das Puppenspiel, die Zauberei und die Bauchrednerkunst, zu meinem Beruf machen. Ich bin gesund und führe ein freies und unbeschwertes, erfülltes Leben. Viele haben nicht soviel Glück und müssen täglich um ihren Platz in der Gesellschaft, um Anerkennung, einige sogar um ihr Überleben kämpfen. Und da will ich helfen soweit es in meinen Möglichkeiten ist. Früher habe ich vor meinen Shows Kinderkrebsstationen und Hospize besucht und kleine Aufführungen in den Krankenzimmern gemacht, um wenigsten ein wenig vom schlimmen Schicksal abzulenken. Ich bin aber auch nur ein Mensch und mich haben diese Schicksale dann doch oft so mitgenommen, dass ich selbst am Abend nicht mehr unbeschwert auftreten konnte und meine Aufgabe im Leben – eben Menschen zu unterhalten und zum Lachen und Träumen einzuladen – nicht mehr ausfüllen konnte. Mit „LACHEN TUT GUT(es)!“ kann ich beides sinnvoll verbinden: ich mache meinen Comedy-„Job“, probe im Kulturhaus Spandau neue Ideen vor 150 durchaus kritischen Besuchern und die Einnahmen gehen u.a. an die Roten Nasen, und die tragen diese gute Laune dann in die Krankenhäuser und zu den kleinen und großen Patienten weiter. Eine unheimlich wichtige Aufgabe!
Gab es eine Situation oder Begegnung insbesondere mit Kindern, die Sie besonders berührt hat?
Wie gesagt, solche tief ans Herz gehenden Situationen gab es in der Vergangenheit besonders mit schwerkranken Kindern immer wieder. Und ich bewundere, wie stark gerade Kinder mit manchmal aussichtslosen Situationen umgehen – oft viel besser als wir Erwachsenen. Aber auch sonst hat man ja besonders als Puppenspieler fast automatisch einen besonderen Draht zu Kindern. Und Kinder sind immer so direkt und so herrlich unverblümt und ehrlich. Das fällt mir immer wieder bei einem Treffen mit Kindern und Erwachsenen auf, dass die Erwachsenen oft vor (unnötigem) Respekt erstarrt und stumm die Hände schütteln, sagen mir Kinder auch schon mal, dass sie eine Puppe richtig „doof“ finden oder meine Frisur unmöglich. (lacht)
Wenn man Sie mit Ihren Puppen Frederic, dem vorlauten Adler-Fasan oder der unwiderstehlichen Schildkrötendame Josie und Co. auf der Bühne sieht, hat man den Eindruck, dass einige Dialoge aus „dem Bauch heraus“ kommen. Sind alle Texte vorher festgelegt? Sie geben dem Zuschauer eher das Gefühl, dass Unterhaltungen mit Ihren Puppen spontan und situationsbedingt entstehen.
Ich sag mal: beides! Wenn ich ein neues Programm schreibe – und zum Glück bin ich dabei nicht allein, sondern werde von meinem bewährten kleinen, verrückten Team unterstützt – dann muss dabei schon Gag für Gag, Satz für Satz und manchmal tatsächlich auch Wort für Wort genau erarbeitet werden. Comedy ist immer auch Fleißarbeit. An „ICH FIND’S LUSTIG“ (54 DIN A4 Seiten Text) haben wir z.B. 22 Monate gearbeitet. Steht dann irgendwann dieses Text-„Buch“ und vor allem: kann ich es endlich auswendig, dann muss dazu auch noch das Puppenspiel genauso flüssig und natürlich einstudiert werden. Erst dann entsteht die Illusion, die Puppen wären lebendig. Denn der ganze schöne Zauber wäre in der Sekunde verflogen, wenn man beim Puppenspiel einen Fehler macht. Da genügt es z.B. den Mund zur falschen Zeit zu öffnen oder mit der Puppe in die falsche Richtung zu schauen und schon wirkt es nicht mehr „echt“. Das zu üben kostet leider auch nochmals viel Zeit. Parallel wird am Bühnenbild, an den Einspielfilmen, an den ja extra für jedes Programm neu komponierten und produzierten Musiken, der Website, und, und, und gearbeitet und gefeilt. Wenn das Programm dann schließlich seine Live-Bühnenpremiere erfolgreich hinter sich gebracht hat, dann beginnt der spontane Teil des Ganzen. Erst wenn der Text fest und sicher in meinem Kopf ist, dann kann ich beginnen, mich von ihm zu lösen. Und das sorgt meist für noch mal jede Menge wunderbaren, situationsbedingten Blödsinn, von dem es wiederum einige Highlights sogar zurück ins Textbuch – und damit jeden Abend auf die Bühne – schaffen. Dieser Optimierungsprozess hört übrigens nie auf. Tatsächlich habe ich sogar bei der letzten Show vom Vorgängerprogramm „KEINE ANHUNG“ noch etwas geändert. Als schöner Nebeneffekt bedeutet das, dass das Publikum eigentlich nie zweimal die selbe Show sieht. Das macht großen Spaß und es wird auch mir nie langweilig.
Integration und Inklusion sind zurzeit wichtige Themen und in aller Munde.
Wie sieht in Ihren Augen eine gelungene Inklusion und Integration aus?
Es gibt keine Alternative zum friedlich miteinander leben. Es mag naiv klingen, aber ich nehme mir diese Naivität dann eben einfach mal heraus: für mich kann jeder machen, was er will – solange er keinen anderen mit seinem Verhalten einschränkt. Wenn sich jeder daran hält, dann sollte es eigentlich funktionieren. Wenn man dann noch Unterschiede als Chance und nicht als Bedrohung begreift und sich selbst nicht immer so schrecklich wichtig nimmt, dann könnte es auf der Welt genauso aussehen wie in meinem skurrilen Puppen-Zoo. Ich lebe schon seit vielen Jahren mit einer vorlauten Mischung aus Adler und Fasan, einer naiven Schildkrötendame, einem sprechenden Hamburger und neuerdings einem berlinernden Fisch, der vorgibt eine Katze zu sein, Seite an Seite friedlich zusammen. Also, wenn das nicht gelungene Integration ist! (lacht)
Das Magazin Momo ist für Kinder und Eltern, die besonders sind. Es soll Mut machen und eine Plattform bieten, auf der Eltern und Betroffene die Möglichkeit haben, sich auszutauschen.
Haben Sie eine Lebensphilosophie für unsere kleinen und großen Leser?
Seid albern! Und bleibt albern! Egal, ob ihr jung an Jahren oder im Herzen jung geblieben seid. Ich weiß wovon ich spreche! Ich spiele als erwachsener Mann noch immer mit Puppen. Und das Verrückteste ist: jeden Tag schauen mir Menschen dabei zu. Und es werden immer mehr. 😉
Vielen Dank dafür, dass Sie es schaffen, den Zuschauern am Ende einer Show stets ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Gerne. Es kommt von Herzen!
Interview: Martina Lange
Fotocredits: ©Michae Zargarinejad