Im Gespräch mit Jasmin Gerat

Liebe Frau Gerat,

die Leserinnen und Leser unseres Magazins „Momo – Mobilität · Motion & Barrierefrei“ freuen sich sehr, dass Sie sich Zeit für ein Interview mit uns genommen haben.

Sie sind eine erfolgreiche Schauspielerin, haben eine Familie, zwei Mädels und als Mutter den Spruch, dass dies „der schönste und härteste Job der Welt“ ist.

Sie engagieren sich im Kinderhospiz Sonnenhof in Berlin. Gab es eine Begegnung oder eine Situation in der Sie gespürt haben, dass Sie eine Ausbildung im Hospiz machen wollen?

Die Geburt meiner ersten Tochter hat meine Welt buchstäblich auf den Kopf gestellt. Der Kreislauf von Geburt und Tod war mir plötzlich vollkommen klar und danach war nichts mehr wie vorher! Es war dann für mich die logische Konsequenz, nicht mehr nur auf das nächste Drehbuch zu warten; ich wollte zwischen den Projekten meinem Leben mehr Sinnhaftigkeit geben, habe mich beim Deutschen Roten Kreuz beworben und dann dort 2008 die Ausbildung zur Sterbebegleiterin gemacht.

Unsere Gesellschaft, so ist die Wahrnehmung vieler, ist heute schnelllebiger und seit Corona wissen wir, dass durch Krisen bei einigen Menschen der wahre Charakter besser sichtbar wird. Wertschätzung und Respekt sind ein seltenes Gut geworden. Umso wichtiger ist es, dass es Menschen gibt, die sich immer wieder ein Zeitfenster einbauen, um den Menschen, denen es nicht gut geht, Zeit zu spenden.

Wie bekommen Sie den Spagat zwischen Ihrem Engagement, Ihrer Familie und Ihrem Beruf hin?

Ehrlich gesagt würde ich sehr gerne noch viel mehr für den Sonnenhof arbeiten, da ich aber keine gelernte Pflegekraft bin, beschränkt sich mein Engagement vor allem darauf, bei den Veranstaltungen im Hospiz zu helfen, sowie meine Öffentlichkeit zu nutzen, um in Interviews und Shows über das in unserer Gesellschaft  noch viel zu unsichtbare Thema Sterbebegleitung zu sprechen und auf das Spenden aufmerksam zu machen. Denn tatsächlich lebt der Sonnenhof nur von Diesen!

Ich habe selbst einige Jahre ehrenamtlich als Koordinator im ambulanten Hospiz gearbeitet. Eine der großen Herausforderungen sah ich in der immer so wichtigen Empathie und der Notwendigkeit, doch eine gesunde Distanz zu schaffen (was nicht immer gelingt).

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Sommerfest 2022: Jasmin Gerat betreute einen Stand für Second-Hand-Kleidung

Wie schaffen Sie das?

Die Frage ist eher, wie schaffen die Pflegerinnen und Pfleger das! Unermüdlich tagtäglich anzutreten, obwohl sie offensichtlich nicht adäquat und wertschätzend genug dafür entlohnt werden. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Schaffenskraft und bedingungslosen Nächstenliebe.

Die Begegnung und das Zulassen von Nähe gegenüber sterbenden Menschen und das Erkennen der Endlichkeit des eigenen Seins – sind dies auch Themen in Ihrer Familie und im Freundeskreis?

Und wie weit verändert das die Sichtweise auf das eigene Leben?

Wie gehen Sie damit um?

Mir ist meine Sterblichkeit und die Fragilität des Lebens täglich bewusst. Das bekommt man gratis zur Mutterschaft dazu. Mal kann ich besser damit umgehen, mal schlechter. Aber was ich im Sonnenhof lernen durfte, ist das Leben zu feiern. Und zwar JETZT, nicht morgen oder später.

In das Gesicht eines sterbenskranken Kindes zu schauen, das völlig im Moment ist, relativiert ALLES. Ich fahre jedes Mal nach Hause, aufgeladen mit Dankbarkeit und habe plötzlich kein einziges Problem mehr!

Was würden Sie unseren kleinen und großen Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?

Dass woran ich mich auch selbst jeden Tag erinnern muss: jeden Atemzug bewusst zu genießen und das Leben als Geschenk und Chance zur persönlichen Entwicklung zu begreifen!

 

 

Herzlichen Dank für Ihre Worte!

Peter Lange

Fotos: © Cathleen Wolf und © Konstantin Börner