Hannes Jaenicke im Gespräch
Herr Jaenicke, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns und unsere Leser*innen genommen haben.
Ihr Buch „Die große Sauerei“ habe ich, muss ich gestehen, in der Kürze der Zeit, nur querlesen können – den Rest hole ich nach, versprochen!
Was beim Lesen und im Nachgang zurückbleibt, sind eine gewisse Leere und ein Gefühl, ein bisschen wie Ohnmacht. Wie wollen wir in Zukunft leben, wie fülle ich die Leere – nicht nur im Magen – sinnvoll, umweltverträglich und mit meinen Wertevorstellungen aus?
Was macht das mit Ihnen, wie gehen Sie damit mit Ihrem jetzigen Wissensstand um?
Humor ist wenn man trotzdem lacht, dafür haben wir Deutschen das schöne Wort Galgenhumor. Ich sabotiere und boykottiere soweit es mir möglich ist die Produkte der Lebensmittel-Multis wie Nestle, Kraft-Mondelez, Unilever, Procter&Gamble, Coca-Cola und Co., und kaufe und konsumiere so regional, bio und fairtrade wie es irgend geht. Und ich schmeisse grundsätzlich keine Lebensmittel weg.
Sie schreiben auch, dass Sie sich mit unseren Meeresbewohnern, die bestenfalls frei schwimmen, in diesem Buch nicht beschäftigt haben – verständlich, denn das würde sicherlich den medialen/publizistischen Rahmen sprengen.
Ist zu dem Thema Fisch & Co. etwas in Planung?
Ich drehe fürs ZDF gerade eine Doku über die letzten Meeresschildkröten, Überfischung und Plastikvermüllung. Der Film kommt Anfang Mai 2023 ins Fernsehen.
Ich tauche seit über 40 Jahren in den Meeren. Wenn ich damals und heute vergleiche, spüre ich nicht nur eine gewisse Leere, sondern auch Wut, insbesondere über die elitären Jachtbesitzer, die ihre Konsumgüter gedankenlos und vielleicht auch hirnlos über Bord werfen – aus den Augen, aus dem Sinn. Hier ist Mikroplastik ein ganz großes Thema – nicht nur die Umweltverschmutzung, sondern ganz allgemein die Zukunft der Meere.
Wie sind hier Ihre Erfahrungen?
Plastik ist die Pest des 21. Jahrhunderts. Und es wird nichts dagegen unternommen, weder seitens der Politik , noch seitens der Industrie oder Verbraucher/innen. Wir Deutschen sind Europameister der Plastikvermüllung, verballern stündlich 320 000 To-Go-Becher und 17 Millarden PET-Flaschen pro Jahr. Meere sind für uns nur noch Schifffahrtsstrassen, Plünderungsstätten, Müllhalden. Im Idealfall vielleicht noch Badepfützen. Und es passiert nichts, im Gegenteil, die Müllmengen, die jährlich im Meer landen, wachsen sogar kräftig.
Was für Feedback bekommen Sie, nachdem Sie investigativ und journalistisch unterwegs waren und es noch immer sind?
Dies geht sicherlich nicht immer mit Applaus einher. Wie reagiert die Agrarlobby?
Die hetzen eifrig gegen mich, genau wie die Jagdlobby. Das geht mir ehrlich gesagt am Gesäss vorbei. Jeder weiss mittlerweile, dass wir in einer ziemlich perfekt funktionierenden Lobbykratie leben. Und die Agrarlobby dürfte ähnlich der Jagdlobby eine der einflussreichsten sein, sowohl auf nationaler wie auch auf EU-Ebene.
Wenn Sie Ihren jetzigen Wissens- und Erfahrungsschatz zusammenfassen würden, was würden Sie, nicht nur unseren Leser*innen, sondern den Menschen und unserer Gesellschaft mit auf den Weg geben wollen?
Vor Inbetriebnahme des Geldbeutels oder der Kreditkarte das Hirn einschalten. Das Portemonnaie als Waffe einsetzen und die Marken und Konzerne unterstützen, die sauber und ehrlich produzieren, und diejenigen boykottieren, die uns belügen und vergiften und die Umwelt schädigen. Und wie gesagt den Humor nicht verlieren, auch wenn uns Coca-Cola, Nestle, Tönnies und Co. wenig Grund dafür liefern.
Interview: Peter Lange, Herausgeber
Fotos: ©_Susanne Schramke, WDR Annika Fusswinkel; Buchcover: siehe Verlag