Geschwisterkinder von Kindern mit Behinderung und schwerer Erkrankung

Unzertrennliche Bande und herausfordernder Alltag.

Geschwisterkinder von Kindern mit Behinderung und schwerer Erkrankung

Wenn ein Kind schwer erkrankt oder behindert ist, nimmt das sehr viel Raum im Familienalltag ein. Hat es ein oder mehrere Geschwister, machen sich die Eltern häufig Sorgen, dass das gesunde Kind ins Abseits gerät. Das suggeriert auch der häufig verwendete Begriff „Schattenkinder“ – doch dieser Umkehrschluss kann so pauschal nicht erfolgen.

In dem Dokumentarfilm „Unzertrennlich“ (Mindjazz Pictures, 2018) begleitet Regisseurin Frauke Lodders vier Familien, bei denen ein Kind eine unheilbare Erkrankung oder Behinderung hat. Es gelingt ihr, sehr persönliche Einblicke in ihren Alltag und ihre Gefühlswelt zu geben. Neben den Eltern kommen auch die Geschwister zu Wort. Dabei wird deutlich, wie unterschiedlich die Erfahrungen sind. Manche der Kids übernehmen viel Verantwortung für ihr krankes oder behindertes Geschwisterkind. Sie werden selbst zu jungen Pflegenden, auch „young careres“ genannt. Einige Kinder leiden unter der schwierigen familiären Situation, aber sie wachsen auch daran. Und es ist zu spüren, wie ungeheuer groß die Verbindung zwischen ihnen ist.

Natürlich gibt es auch bei diesen besonderen Geschwistern Konflikte und Rivalitäten, die die Eltern zulassen sollten. Es stellt einen Unterschied dar, ob ein jüngeres Geschwisterkind in die Situation hineingeboren wird oder die Erkrankung plötzlich über die Familie hereinbricht. In jedem Fall ist es von Bedeutung, das gemeinsame Gespräch zu suchen und möglichst offen alle Fragen zu beantworten und über Ängste zu sprechen. So können kindgerechte Borschüren über die Erkrankung oder Kinderbücher über Behinderung und „Anderssein“ beim Erläutern helfen. Tipps und Unterstützung erthalten Eltern bei speziellen Beratungsstellen, z. B. der Lebenshilfe e. V.

Selbsthilfe, Austausch und Vernetzung

Die Erfahrung „Ich bin nicht alleine, anderen geht es wie mir“ ist sehr wichtig, wenn die Schwester oder der Bruder schwer behindert oder lebensverkürzt erkrankt sind. In fast jeder größeren Stadt gibt es für Geschwisterkinder Vereine und Selbsthilfegruppen, die offene Treffs oder gemeinsame Unternehmungen anbieten. Eine Übersicht über Geschwisterkinderangebote findet sich unter www.stiftung-familienbande.de. Bei solchen Treffen können sich die betroffenen Kinder und Jugendlichen austauschen. Dort muss sich niemand erklären und der Rückhalt in dieser Gemeinschaft trägt dann auch in schweren Zeiten. Außerdem können die Geschwister hier auch Freunde finden, die in ähnlichen familiären Konstellationen leben, und einfach gemeinsam Spaß haben. Auch im Internet finden sich viele Angebote zur Vernetzung, u. a. auch für erwachsene Geschwisterkinder (www.geschwisternetz.de).

Regelmäßig an Geschwisterveranstaltungen des Deutschen Kinderhospizvereins e. V. nimmt auch Marian Grau teil, inzwischen ist er sogar Botschafter des Vereins. Sein an Morbus Leigh erkrankter älterer Bruder Marlon verstarb, als er selbst neun Jahre alt war. Ihm widmet der Blogger und junge Autor sein erstes Buch „Bruderherz. Ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt“ (Eden Verlag, 2018). Darin erzählt der heute 17-jährige, wie viel er von Marlon gelernt und er ihn geprägt hat. Daneben berichtet Marian, wie seine Eltern sich Mühe gaben, dass er nicht zu kurz kam – trotz der lebensverkürzenden Stoffwechselerkrankung seines Bruders. So unternahm seine Mutter regelmäßig mit ihm gemeinsame Abende zu zweit – wertvolle Mama-Sohn-Zeit, die zeigt: „Du bist wichtig!“, auch wenn manchmal was dazwischenkam. Die ganze Familie fuhr auch regelmäßig ins Kinderhospiz nach Olpe, um sich gemeinsam zu erholen.

Auszeiten und Unterstützung

Neben Kinderhospizen bieten auch Einrichtungen wie die Familienherberge Lebensweg in Illingen-Schützingen Familien die Chance, zusammen Urlaub zu machen im Wissen, dass das pflegebedürftige Kind mit dabei und gut versorgt ist. Außerdem gibt es auch für Kinder Kurzzeitpflegeeinrichtungen, damit die Eltern auch als Paar etwas unternehmen können oder nur einmal Zeit für das Geschwisterkind haben. Im Alltag können familienentlastende Dienste, Verhinderungspflege oder Betreuungs- und Entlastungsleistungen helfen, sich Freiräume zu schaffen. (Einen Überblick gibt es u. a. hier: www.pflege-dschungel.de)

Ein Beitrag von Verena Niethammer

Foto: pixabay.com