Gemeinsam rückwärts vorwärts

So könnte das Motto der zwei Pararuderer Marc Lembeck und Domenic Siemenroth lauten. Wasser war aber nicht immer ihr Element – beide Athleten kommen eigentlich aus der Paraleichtathletik und Marc feierte 2008 sogar sein Paralympics-Debüt auf der Laufstrecke in China. Nun haben beide Paris 2024 im Blick – oder im Rücken.

Pararuderer

Kennengelernt haben sich Marc und Domenic 2011 bei der Deutschen Leichtathletik-Meisterschaft und sind seitdem beste Freunde. Während Marc den Leistungssport 2013 an den Nagel hing, um sich seinem Job zu widmen, wechselte Dominic zum Sitzvolleyball, da er krankheitsbedingt mit der Leichtathletik aufhören musste. Ein Wechsel der Sportart ist im Parasport nicht unüblich, denn oft verändern sich die individuellen Rahmenbedingungen der Athlet:innen.

Mit der Mannschaft wurde Domenic 2016 deutscher Meister, die erhoffte Paralympics Qualifikation blieb jedoch aus. Das war einer der Gründe, weshalb auch er sich aus dem Leistungssport zurückzog.

Pararuderer

Eine gewisse Zeit hielten sich die Freunde mit Fußball, Fitness und Ausdauertraining fit, bis sie zusammen den – etwas verrückten – Entschluss fassten, doch nochmal alles auf eine Karte zu setzen: Sie wollen zu den Paralympics – aber nur gemeinsam!
Sie suchten eine Parasportart, bei der sie zumindest zusammen trainieren können – und die war aufgrund der unterschiedlichen Behinderungen gar nicht so leicht zu finden: Mark hat eine erbliche Sehbehinderung und noch 5 % Sehkraft, Dominic ist seit einer Krebserkrankung unterschenkelamputiert.

So kamen beide zum Pararudern, eine Sportart, die keiner direkt auf dem Schirm hatte. Koordination, Vertrauen und natürlich viel Kraft – das sind die Grundlagen, um erfolgreich zu rudern. Zusammen, egal mit welcher Behinderung. Diese Besonderheit macht Rudern zumindest im Training sehr inklusiv. Der RTHC Bayer Leverkusen in Köln, der seit kurzem offizieller Leistungsstützpunkt Pararudern ist und dank der Unterstützung des BRSNW und der Kämpgen-Stiftung zwei neue Lernboote zur Verfügung stellen kann, bietet beste Trainingsvoraussetzungen und wurde schnell zur Trainingsstätte von Marck und Dominic.

Pararuderer

„Grundlagenausdauer und diesen Sportsgeist besaßen wir noch aus der Leichtathletikzeit, nur rudern mussten wir lernen!“, erzählt Dominic von ihren „naiven“ Anfängen, denn so leicht war der Start nicht. Die Rudertechnik ist komplex und es gibt vieles gleichzeitig zu beachten, um in dem leichten Boot trocken und dazu noch schnell ans Ziel zu kommen. „An einem regnerischen Sonntag, morgens bei 7 °C in kurzen Klamotten auf dem See zu sein, ist hart, aber gleichzeitig schön: wenn alles ruhig ist, man die Kraft des Bootes fühlt und einfach mit einem Gefühl von Freiheit über das Wasser gleitet“, schwärmen die Ruderer. So harmonisch läuft es aber nicht immer im Boot ab – manchmal kracht es richtig, aber sobald sie wieder den Steg erreichen, ist der Ärger weg.

Dominic übernimmt im Boot die Rolle des „Kapitäns“, wie ihn Marc beschreibt: „Er lenkt das Boot mit seinem gesunden Fuß, gibt den Rhythmus vor und korrigiert meine Haltung. Dafür bringe ich meine körperliche Power ein, denn ich kann die ganze Kraft aus beiden Beinen nutzen.“ Eine ähnliche Aufteilung gibt es auch in ihrem Leben, außerhalb des Bootes. Marc ist für alles zuständig, das Kraft benötigt, wie z. B. das Boot zu tragen. Domenic übernimmt dafür viel Organisatorisches und fährt beide im Auto umher. Ein tolles Team eben – auf dem Wasser und an Land.

Text: Anke Nellen_BRNSW
Fotos: © Paul Hense