BEING A WORKING MUM – (k)ein besonderes Bedürfnis?

BEING A WORKING MUM – (k)ein besonderes Bedürfnis?

Ein Beitrag von Verena Niethammer

„Musst du auch noch arbeiten?“, werden Mütter immer wieder erstaunt gefragt. Frauen mit behinderten Kindern ernten besonders viel Gegenwind. Ich antworte dann meist, dass es eben deshalb so wichtig ist zu arbeiten, weil mich das Dasein als pflegende Mutter sonst langsam auffrisst. Ich bin doch auch noch da! Ich habe doch nicht einen Beruf erlernt, um nun meine Fähigkeiten ausschließlich in Widerspruchsschreiben, Kinderbetreuung und Therapiemaßnahmen zu investieren, auch wenn das von mir und vielen anderen pflegenden Mamas immer wieder vom Gegenüber gefordert wird. Zum Teil von ebenfalls betroffenen Eltern, die hier ihre einzige Lebensaufgabe sehen. Dabei ist unser Sohn – mit all seinen speziellen Bedürfnissen – ohnehin oft Zentrum unseres Familienuniversums. Und wird nicht überall nach Fachkräften geschrien? Wie viele von uns in dieser Parallelwelt langsam kaputt gehen, ist Außenstehenden oft nicht bewusst. Mutti zählt nicht. Sie soll springen, flexibel sein. Da kann man schon verbittert werden, nach Jahren der Dienstbarkeit erst recht. Doch wenn frau einem Arbeitgeber verpflichtet ist, geht plötzlich manches. Aber jemanden zu finden, der eine Special-Needs-Mutter einstellt, ist nicht einfach. Manche verheimlichen deshalb ihr Kind. Ich spiele lieber mit offenen Karten und wurde schon zweimal bei einem kirchlichen Träger angestellt.

Traurig, dass viele nicht verstehen, warum man als Frau nicht nur All-inclusive-Service-Anbieterin sein will. Dabei ist die Entscheidung für Kinder keine gegen die Berufstätigkeit! Es ist unglaublich, dass man das im Jahr 2020 immer noch fett unterstreichen muss. Väter werden eigentlich nie gefragt, wie sie Arbeit und Familie vereinbaren können. Auch die Clips zum Muttertag zeigen mal wieder, wie rückständig unser gesellschaftliches Bild von Mutterschaft ist. Mama macht das schon, egal ob Terminkoordination, Hausaufgaben betreuen, (Teilzeit-)Job, Haushalt oder Sozialkontakte pflegen – erst recht zu Corona-Zeiten. Die Carearbeit, das Kümmern um Familienmitglieder, wird dabei ebenso wenig für voll genommen wie die Arbeitsform des Homeoffice. Denn Kinder oder Pflegebedürftige daheim zu versorgen, das ist parallel nicht mit einem Beruf vereinbar! Mindestens eins kommt zu kurz, in der Regel mehreres. Wie soll ich konzentriert arbeiten und telefonieren, wenn die kleine Miss nebenher schreit? Daneben würgt der Große und sollte dringend abvibriert werden. Momentan hat mein Mann das Vergnügen, sich vormittags zwischen den diversen Aufgaben zu zerreißen. Wir haben das „Glück“, dass er nun coronabedingt ebenfalls im Homeoffice arbeitet. Ich löse ihn mittags bei den Kids und Co ab. Inzwischen kommt stundenweise wieder der Pflegedienst. Aber es bleibt dennoch ein Balanceakt und unglaublich anstrengend.

Und trotzdem bin ich froh, meinen Job zu haben. Für vier Stunden am Tag etwas anderes zu sehen, zu denken und den Kopf frei zu bekommen – von den Sorgen um die nächste anstehende OP oder die Verlängerung der Pflegeverordnung, die nun wieder ansteht. Genau weil alles so viel ist und man als Frau hinter dem Kind mit Behinderung verschwindet, ist es wichtig, noch etwas für sich – und auch die eigene Rente zu tun. Finanziell gesehen ist meine bezahlte Tätigkeit ebenfalls kein Luxus. Mit nur einem Einkommen und den Minizuschüssen von der Kasse oder den Ämtern könnten wir alle behindertenrelevanten Ausgaben nie stemmen.

Viele Eltern erleben nun in der Pandemie dieses Auf-sich-gestellt-Sein, das für die meisten von uns pflegende Angehörige IMMER Alltag ist. Ich hoffe nicht nur, dass Covid-19 nicht zu einem – zeitweisen – Rollback der alten Geschlechterrollen führt, sondern auch bewusst macht, wie unangemessen diese Ansichten heute sind. Außerdem sollten die neuen digitalen Möglichkeiten, die sich nun aufgetan haben – von Videosprechstunden bis hin zu mobilen Arbeitsformen – nun endlich eine rechtlich zugesicherte Wahloption werden!

 

Fotos: pixabay.com