Anpfiff ins Leben
Ein Traum wird wahr:
Simon Dornblüth steht bald für seinen Lieblingsverein auf dem Platz
Seitdem er denken kann, ist Simon Dornblüth HSV-Fan.
Mit acht Jahren war er zum ersten Mal im Stadion, etwas später durfte er sogar zweimal mit seinen Idolen Hand in Hand auf den Platz einlaufen. Selbst irgendwann einmal die blau-weiß-schwarze Raute auf der Brust tragen zu dürfen, schien ihm damals wie ein weit entfernter Traum – eine utopische Zukunftsvision.
Der gebürtige Hamburger hatte keinen leichten Start ins Leben: Bei seiner Geburt gab es Komplikationen – Simon kam ohne linken Unterschenkel auf die Welt. „Normal“ Fußball spielen zu können, wie so viele Kinder in seinem Alter, war ihm nie möglich. Und dennoch schlug sein Herz stets für das runde Leder.
Zwar erfuhr er schon recht früh vom Amputierten-Sport und spielte selbst kurze Zeit Fußball in einem Verein in Karlsruhe, wo er einige Jahre mit seiner Familie lebte. Seinen sportlichen Fokus legte er zunächst jedoch auf die Leichtathletik: „Da habe ich für mich einfach mehr Möglichkeiten gesehen“, erzählt der heute 20-Jährige – bis zu einem Sommertag im Jahr 2020, als er Hamed Sagar begegnete. Hamed spielt selbst seit Längerem Amputierten-Fußball und wurde jüngst sogar für den Perspektivkader der Nationalmannschaft nominiert. An diesem Tag begegnete er Simon auf dessen alltäglichem Weg zur Berufsschule in Lüneburg, wo beide aktuell wohnen. „Er hat gesehen, dass ich auch einen amputierten Unterschenkel habe“, erinnert sich Simon. Kurzerhand sprach Hamed ihn an und fragte, ob er ihn nicht einmal zu seiner Trainingsstätte nach Braunschweig begleiten wolle. Gesagt, getan: Kurze Zeit später kam Simon mit und kickt seitdem ebenfalls in Braunschweig. Für das regelmäßige Training nehmen beide pro Strecke ganze zwei Stunden Fahrt in Kauf. „Mittlerweile sind Hamed und ich wirklich gute Freunde“, meint Simon. Im Sommer 2020, als der reguläre Trainingsbetrieb wegen Corona stilllag, trainierten sie fast täglich zu zweit in Lüneburg. Sich alleine hält Simon auch gerne mit den Trainingsvideos fit, die die gemeinnützige Organisation „Anpfiff ins Leben“ speziell für Menschen mit Amputation erstellt hat. Zu finden sind diese u. a. auf dem YouTube-Kanal „Amputiertensport bei Anpfiff ins Leben“. Die NGO aus dem badischen Walldorf ist es auch, die die Entwicklung des Amputierten-Fußballs deutschlandweit vorantreibt.
So gelang es auch, ab 2021 zwei weitere Vereine für die Sportart zu gewinnen und somit in Norddeutschland zwei neue Stützpunkte aufzubauen. Ein großes Glück für Simon, denn neben Hoffenheim, Düsseldorf und Braunschweig sind nun auch Berlin und Hamburg neue Anlaufstellen zum Kicken auf Krücken. Dass in der Hansestadt ausgerechnet sein HSV ein Team stellen und er gemeinsam mit Hamed und neuen Interessierten auf dem Platz stehen wird, bedeutet ihm sehr viel: „Darauf freue ich mich natürlich sehr. Für meinen Heimatverein aufzulaufen, macht mich sehr stolz.“ Was er sich sportlich für die Zukunft vornimmt? Für die neue deutschlandweite Liga möchte er gemeinsam mit dem Team eine gute Spielidee entwickeln, die Sportart weiter vorantreiben und jede Menge Spaß haben.
Ebenso wie im Sport weiß Simon auch beruflich genau, wo es hingehen soll. Nach seinem Abitur 2019 fing er gleich eine Ausbildung zum Orthopädietechnik-Mechaniker an. Sein eigenes Schicksal spielte für diese Entscheidung natürlich eine große Rolle.
„Sich selbst helfen zu können und technisch alles zu verstehen, ist mir sehr wichtig“, verrät er.
In der Zukunft möchte er sich seine Prothesen für den Alltag selbst bauen können. Simon blickt also voller Optimismus nach vorne. Und wenn es aufgrund seiner Einschränkung mal nicht so läuft wie gewünscht, wird er sich weiter durchkämpfen. Schließlich ist es kein Zufall, dass sein Lieblingsspieler ausgerechnet der HSV-Profi Rick van Drongelen ist: Warum genau? „Als Verteidiger ist er ein richtiger Kämpfer“, findet Simon – genau wie er selbst.
Kontakt Anpfiff ins Leben:
Christian Heintz
0151 20919552 | c.heintz@ail-ev.de
Text: Sophie Krischa, Fotos: Simon Dornblüth