Anika Biel – Autorin des Kinderbuchs „Astronautenliebe“ im Interview
Stirbt ein uns vertrauter, lieb gewonnener Mensch, so empfinden wir als Erwachsene Leere, Ohnmacht und Angst vor der Zeit ohne ihn. Aber auch Wut darüber, dass er nicht mehr da ist. Ganz unterschiedlich gehen wir damit um. Wir lenken uns ab, kapseln uns mitunter auch ab oder reden entweder viel oder gar nicht über die Person, gehen zum Trost und Stille suchen in die Kirche oder in die Natur. Auf vielfältige Art und Weise bewältigen wir so die Trauer oder versuchen es. Wie aber gehen Kinder mit solch‘ einem unsagbaren Schmerz, solch‘ einem herben Verlust, solch‘ einer schier unerträglichen Trauer um?
Die gebürtig aus Recklinghausen stammende Kinderbuchautorin Anika Biel, selbst Mutter eines Sohnes, hat sich in ihrem Buch „Astronautenliebe“ mit diesen schwierigen und dennoch wichtigen Themen auseinandergesetzt. Antons Schicksal gleicht einer bewegenden Gefühlsreise, die einen Zugang schafft zum Umgang mit Trauer, hervorgerufen durch den Verlust eines Elternteils. Dabei möchte die Autorin tröstende Gedanken schaffen. Und so lautet ihre Widmung: „Für Jessi, Finn, Antonia und all die anderen, deren Elternteil viel zu früh ein Astronaut, eine Astronautin wurde, und die Sterne deshalb ganz besonders hell leuchten.“
Herzlichen Dank schon mal vorab, dass Sie sich Zeit für unser Interview nehmen.
Gerade kleine Kinder verstehen nicht, wieso eine geliebte Person auf einmal nicht mehr da ist. In solchen Momenten helfen neben einer fürsorglichen, behutsamen Betreuung durch enge Familienangehörige unter anderem das Vorlesen von Büchern, die in kindgerechter Sprache das Thema aufgreifen und sensibel erklären. Also wie Ihr wunderbar einfühlsam geschriebenes Buch „Astronautenliebe“. Gab es einen Auslöser/Grund für „Astronautenliebe“?
Während meiner ärztlichen Tätigkeit habe ich immer wieder junge Patienten mit lebensverkürzenden Erkrankungen behandelt. Immer öfter habe ich dabei gemerkt, dass nur noch wenige Familien einen starken religiösen Bezug haben. Die Kinder der Patienten konnten mit den tradierten Vorstellungen von „Himmel“ wenig anfangen. Daher kam mir die Idee zu „Astronautenliebe“.
Menschen aus dem näheren, aber auch weiteren Umfeld haben mitunter Schwierigkeiten, auf betroffene Kinder zuzugehen. Lieber wird gar nichts gesagt, als etwas vermeintlich Falsches. Denn über Tod und Trauer zu sprechen, fällt vielen nach wie vor schwer. Darunter leiden jedoch die Betroffenen. Was können Sie ihnen, den Unbeholfenen aus dem Umfeld des Kindes, mit auf dem Weg geben?
Kinder haben sehr feine Antennen und verstehen mehr, als wir Erwachsenen ihnen manchmal zutrauen. Je nach Alter des Kindes rate ich dazu, die eigene Unsicherheit zu thematisieren. Oft kommt es dann zu einem tollen Gespräch, in dem Kinder sehr genau nennen, was sie gerade brauchen. Das kann Trost sein, ein gemeinsames Erinnern, aber auch etwas völlig anderes, Fröhliches und Ablenkendes.
Manchen Menschen ist ein langes Leben vergönnt. Anderen wiederum wird es viel zu schnell genommen. „Je früher Kinder lernen, damit umzugehen, desto besser kommen sie mit den großen und kleinen Abschieden des Lebens zurecht“, so die österreichische römisch-katholische Theologin, Pastoralreferentin, Supervisorin und Notfallseelsorgerin Christine Fleck-Bohaumilitzky, die sich auch mit diesen Themen beschäftigt. Kinder wollen vor allem aufrichtige Antworten: „Verschweigen bedeutet dramatisieren“. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach der richtige Umgang mit Sterben, Trauer und Verlust?
Ich würde das Wort „richtig“ gerne durch „offen“ ersetzen und eben jener Umgang ist extrem wichtig. Trauer hat viele Gesichter, manchmal sogar ein fröhliches. Es ist wichtig, die Menschen nicht zu verurteilen, wenn sie für das eigene Empfinden zu kurz, zu lang, zu tief oder zu oberflächlich trauern. Gerade bei Kindern kommt Trauer häufig in Situationen vor, in denen man nicht damit rechnet. Es ist dann wichtig zu vermitteln, dass es okay ist, wenn man auch Monate oder Jahre nach dem Verlust noch traurig sein darf.
„Astronautenliebe“ ist nicht Ihr erstes Kinderbuch. Sie haben unter anderem auch ein Buch über Demenz und Liebhaben mit dem Titel „Opa, vergisst du mich?“ veröffentlicht. Ebenfalls äußerst interessant ist Ihr Buch „Sag mir, was Liebe ist – Eine fotografische Spurensuche“, wofür Sie in mehreren Seniorenheimen mit Menschen mit sehr viel Lebenserfahrung sprachen und versucht haben, der Liebe auf die Spur zu kommen. Eines Ihrer Herzensprojekte. Beim Lesen Ihrer Bücher fühlt und spürt man die absolute Leidenschaft, die hinter dem Schreiben steckt. Wie schaffen Sie es, Beruf, Familie und Schreiben miteinander zu vereinbaren?
Das ist eine gute Frage. Vieles kann ich nur machen, weil ich große Unterstützung durch meinen Partner habe. Er hat beruflich zurückgesteckt, um mir eine Karriere zu ermöglichen. Ohne diese Hilfe wäre das nicht möglich. Und der Rest ist Organisation, wobei ich oft Deadlines bis zur vorletzten Minute ausreize.
Seit wann schreiben Sie? Und was geben Sie unseren Leser*innen mit auf dem Weg, die selber Ideen für ein eigenes Buch haben, sich aber nicht so recht trauen, diese umzusetzen?
Ich habe schon in der Grundschule immer gerne kleine Geschichten geschrieben. Nach einer langen Phase, in der ich nichts zu Papier gebracht habe, habe ich meine Freude daran während des Medizinstudiums wiederentdeckt. Es war die benötigte und gewollte Abwechslung.
Den besten Ratschlag, den ich geben kann, ist: einfach machen.
Man bereut häufig das, was man nicht getan hat. Also ist es besser, es zu tun.
Info zum Buch:
Darum geht’s
Antons Mama ist schwer krank und für Anton ändert sich dadurch eine Menge. Anton vermisst das Leben vor der Erkrankung, aber er versucht stark zu sein. Doch dann gibt es schlechte Nachrichten: Antons Mama weiß, dass sie diese Welt bald verlassen muss. Deshalb hat sie sich etwas Besonderes für Anton überlegt… Die Geschichte von Anton und seiner Astronauten-Mama ist ein einfühlsam verfasstes Kinderbuch über das Sterben und den Tod.
Interview: Claudia Egert
Text und Foto: pixabay.com, privat, Buchcover: siehe Verlag