Andrea Sawatzki im Interview
Liebe Frau Sawatzli, ich bedanke mich herzlich – auch im Namen unserer Leser*innen – bei Ihnen, dass Sie sich für meine Fragen einen Augenblick Zeit genommen haben.
Sie haben die Figur der Gundula Bundschuh geschaffen. Identifizieren Sie sich auch im privaten Bereich mit dieser Rolle? Schließlich ist sie ja auch direkt aus dem Leben gegriffen.
Ja, man kann schon sagen, dass mich Gundula in meinem privaten Leben begleitet. Ich suche ja immer wieder nach neuen Situationen, mit denen ich sie konfrontieren kann. Insofern habe ich ständig die Augen offen. Außerdem ist die Gundel für mich so etwas wie ein Alter Ego. Ich hatte sie ursprünglich für mich entwickelt, als ich die Fünfzig erreicht hatte, quasi als Spiegelbild, damit ich mal über mich lachen kann. Älter zu werden ist ja kein Pappenstiel. Es fällt einem plötzlich ein, was man immer noch nicht kann oder nie mehr können wird. Bei mir entwickelte sich eine Art Torschlusspanik.
Völlig albern …
Sie sind mit Ihrem Mann verheiratet, der zugleich Schauspielkollege ist, und dadurch sicherlich umso mehr beschäftigt.
Wie muss man sich die Erholungsphasen während und nach den Dreharbeiten vorstellen? Wie tanken Sie Ihre Batterien wieder auf und kriegen den Kopf frei?
Mein Mann ist neben der Schauspielerei auch inzwischen ein erfolgreicher Autor. Er hat die Bücher „Der Apfelbaum“ und „Ada“ verfasst, die immer noch auf der Bestsellerliste stehen, und – genau wie die Bundschuhs – verfilmt werden sollen.
Wenn wir frei haben – wobei sich das, wenn wir schreiben, nicht so klar definieren lässt –, verbringen wir die Zeit mit unseren Jungs und unserer Hündin Fee. Mit Fee laufe ich stundenlang durch den Wald oder trainiere mit ihr. Momentan ist unser Älterer (21) zuhause, weil Corona in Liverpool wütet. Er studiert online. Der Jüngere (18) arbeitet zurzeit in Österreich. Er macht das Making-of für einen Kinofilm mit Jeff Wilbusch („Unorthodox“). Wir kochen sehr gern gemeinsam und reden oder gucken gemeinsam Serien („Peaky Blinders“, „Killing Eve“, „Damengambit“). Wenn es wärmer wird, gehen wir in den Garten. Wenn Corona mal vorbei ist, werden wir auch unsere lieben Freunde wiedersehen können. Die vermissen wir ganz fürchterlich. Aber noch mehr tun uns unsere Söhne leid. Die Jugendlichen und die Kinder sind die eigentlichen Leidtragenden dieser Pandemie. Ich hoffe so sehr, dass sie bald wieder rausgehen und ihre Freiheit genießen können.
Ansonsten lesen wir viel und überlegen uns neue Geschichten, die man verfilmen könnte. Wir haben vor längerer Zeit eine kleine Filmproduktion gegründet, das füllt uns aus. Ein Stoff liegt schon in der Pipeline, bleibt coronabedingt aber eventuell auch dieses Jahr noch dort liegen. Das ist für alle Beteiligen bitter. Aber so ist es eben zurzeit. Neuerdings machen Christian und ich Kundalini-Yoga. Online mit Freunden. Das gibt einem unglaublich positive Energien und Kraft. Ich bin völlig süchtig danach. Das hätte ich früher nie gedacht. Ich fand Yoga in Europa immer etwas albern. Jetzt hab ich dazugelernt und bin wirklich glücklich damit. Sehr (!) zu empfehlen!
Welche Rolle war Ihnen die liebste? Und was oder wen würden Sie sich einmal zu spielen wünschen?
Ich liebe alle meine Rollen. Am liebsten mochte ich vielleicht Charlotte Sänger aus dem Tatort, Desiree Dische aus „Klimawechsel“ von Doris Dörrie und Hulda Stechbarth aus der Schrumpf-Kinoreihe. Der dritte Teil „Hilfe, ich hab meine Freunde geschrumpft“ sollte im Januar in die Kinos kommen. Jetzt ist alles verschoben … Im Sommer habe ich ein sehr interessantes Projekt, über das ich noch nicht sprechen darf. Das wird tatsächlich enorm herausfordernd. Aber auch ansonsten tut sich beruflich gerade viel. Die Rollen, die mir angeboten werden, sind unterschiedlich. Das macht den Beruf so spannend. Ich freue mich auf jede neue Rolle. Ich liebe es, ins kalte Wasser zu springen und auch mal Grenzen zu sprengen …
Es ist ja zu hoffen, dass wir mit gemeinsamer Anstrengung und Disziplin durch diese doch recht schwierige Zeit kommen. Unsere Leser*innen, gerade auch mit behinderten Kindern, haben hier ganz unterschiedliche Wünsche.
Was vermissen Sie in dieser Zeit am meisten und was wäre Ihr größter Wunsch, wenn wir wieder unbeschwert Menschen treffen und reisen können?
Ich vermisse die Gesichter hinter den Masken. Das Lachen. Manchmal, wenn ich durch die Straßen laufe und all die Maskengesichter sehe, habe ich das Gefühl, mich in einem Albtraum zu befinden. Ich sehne mich nach unseren Freunden. Nach unbeschwerten Dreharbeiten. Natürlich nach unserer zweiten Heimat Andalusien, wo wir im Sommer eventuell nicht hinkönnen, weil die Pandemie dort mit aller Wucht um sich schlägt. Und ich sehne mich nach meinen Lesungen mit den Bundschuhs. Mir sind seit Corona ungefähr 30 Lesungen weggebrochen. Abgesehen davon, dass die Veranstalter (und ich) dadurch große finanzielle Einbußen haben, fehlen mir die Gesichter der Menschen, wenn sie meinen Geschichten lauschen. Und das Lachen. Die unbeschwerte Fröhlichkeit, die einen ganzen Theatersaal zum Schwingen bringt.
Wer ist denn dieser bildhübsche Hund in Ihrer Familie, also welcher Rasse gehört er an und auf welchen Namen hört er? Er hört doch, oder?
Das ist eine Saupackerhündin. Sie heißt Fee. Sie ist eine Mischung aus Cane Corso, Old English Mastiff und Dogge, also eher der Molosser-Typ. Cane Corso kommt bei ihr am meisten durch. Sie ist zwei Jahre alt und sehr folgsam, aber auch territorial – das liegt in ihren Wurzeln. Sie lässt niemanden einfach aufs Grundstück, das ist ihr Reich. Dummerweise denkt sie das auch im Wald und ich muss sie immer anleinen, wenn sie andere Hunde erspäht. Die will sie dann vertreiben. Dreimal die Woche ist sie dafür in einem Rudel. Da ordnet sie sich unter und spielt mit den anderen.
Vielen herzlichen Dank für dieses Interview!
Martina Lange
Chefredakteurin Magazin Momo –
Mobilität & Motion
Fotos: Markus Nass / T&T, ZDF_NIK KONIETZNY, Britta Krehl