Anders, aber ganz besonders
Anders, aber ganz besonders
von Nicole Altstedt
Marie ist der Sonnenschein der Familie, natürlich mit ihrem großen Bruder Jannik
zusammen. Durch sie hat sich das Motto unserer Familie geändert: „Wir sind anders, aber
ganz besonders“.
Nach einer komplikationslosen Schwangerschaft kam unsere Tochter vor sechs Jahren auf die Welt. Das Glück war perfekt, zwei tolle und gesunde Kinder. So dachten wir. Ihre ersten Monate waren nicht sehr aufregend. Sie schlief sehr viel, brauchte aber ewig, um ihre Flasche auszutrinken, was uns aber noch nicht beunruhigte. Aber wir mussten unser Leben mit zwei Kindern erst mal neu planen.
Marie war ca. 3-4 Monate alt, als sich die ersten kleinen Auffälligkeiten bemerkbar machten. Das Drehen klappte nicht – und den Kopf zu halten, fiel ihr sichtlich schwer. Somit gab es das erste Krankengymnastik-Rezept und einen Kinderarztwechsel. Tja – und mit diesem Wechsel wurde aus unserer normalen heilen Welt „etwas anders, aber was ganz Besonderes“.
Der erste Besuch beim neuen Kinderarzt bescherte uns einen Aktenordner, einen Besuch im Sozialpädiatrischen Zentrum und eine Überweisung zur Frühförderung – sowie die elterliche Erkenntnis, jetzt in einem Untersuchungsstrudel zu stecken. Die Angst „was ist mit unserem Kind“ ließ uns nicht los. Die ersten Untersuchungen, dazu zählten das MRT in Narkose, Muskelbiopsie, Genetik und später nochmal ein MRT plus Lumbalpunktion sowie eine noch größere Blutuntersuchung, erwiesen sich alle ohne Befund.
Als unsere Tochter 13 Monate war, hing sie ihren gleichaltrigen Freunden in der Entwicklung hinterher: kein Krabbeln, kein Vierfüßlerstand, nichts von alledem. Die Spanne zwischen uns und den „normalo“ Kindern wurde für uns alle zur Zerreißprobe. Fragen nach dem: Wie, das kann sie immer noch nicht, nervten uns alle nur noch und abends heulten wir unseren Kummer ins Kissen.
Bis endlich ein Arzt aussprach, was wir eigentlich schon wussten. Er begann: „Na, sie wissen ja, dass sie behindert ist. Und dass sie mal laufen lernt, ist wohl eher unwahrscheinlich.“
Von nun an änderte sich alles. Wir als Eltern hörten auf zu grübeln, ob ja, nein oder vielleicht … und fingen wieder an, Normalität in das vorher ungewisse Leben zu bringen.
Normalität für uns, denn es zeigte sich, dass nicht jeder mit dem ausgesprochenen Wort „Behinderung“ umgehen kann, z. B. die Großeltern der Kinder. Meine Schwiegermutter ist der Meinung, ich sei schuld an Maries Behinderung. Ganz klar sagte sie: „Du hast sie im Bauch – und in unserer Familie gibt es so etwas nicht.“ Als hätten wir nicht genug Gedanken und Sorgen im Kopf, verbreitete sie noch mehr Ängste.
Also ging ich ganz normal wieder als Nachtschwester arbeiten. Jannik kam in die Kita und Marie zur Tagesmutter. Nach ca. 1 1/2 Jahren entschieden wir uns, dass ich die Arbeit aufgab, da Marie immer mehr meine Hilfe benötigte. Sie war oft und sehr lange krank. Lieber nahmen wir die finanziellen Einbußen hin, als weiter den Stress in der Familie ertragen zu müssen. Wir alle gehen offen mit dem Thema Behinderung um und sprechen es auch so aus, ohne es zu verniedlichen.
Als aktive Familie sind wir vier in der Freizeit viel unterwegs. Die Männer der Familie interessieren sich sehr stark für den Motorsport. Ausflüge zum Nürburgring gehören deshalb ab und an mal dazu, genauso wie regelmäßiges Schauen von JP Performance Videos auf Youtube. Schließlich ist Marie ihr größter Fan. Während des Videos quiekt sie wie verrückt.
Da auch wir als Eltern ein kleines bisschen verrückt sind, stellten wir bei der Neuversorgung des Rollis fest, dass die Designs sich überhaupt nicht verändert haben. Hunde, Katzen oder rosa Prinzessinnen waren nicht unser Ding. Uns schwebte ein einzigartiger, stylischer Rolli vor. So nahm mein Mann allen Mut zusammen und sprach Jean Pierre Kraemer (JP) an, ob er Maries Rollstuhl von der Optik etwas „tunen“ könne. „Na klar, gerne“, war seine Antwort – und aus „Na klar“ wurde der coolste Rolli weit und breit. So entwickelte sich auch eine besondere Verbindung zwischen Marie und Jean Pierre.
Wir erleben es nicht oft, dass jemand ohne Berührungsängste, ohne Angst und ohne Ekel vor Sabberflecken auf unsere Tochter zugeht und sich komplett auf sie einlässt. Jean Pierre und Marie aber begegnen sich auf Augenhöhe; ihre Kommunikation braucht keine Worte, sondern nur ein Herz und Verständnis. So lassen sich Barrieren aus dem Weg räumen. Mein erstes YouTube-Video findet ihr unter JP Performance „Etwas ganz Besonderes“, das zweite Video heißt „Ehrensache“.