Hochgebirge für höhere Semester
„Dieses Wandergebiet macht’s uns leicht“
Richtig hohe Berge sind nichts mehr für ältere Menschen? Von wegen! Ursula Saß aus Hamburg ist 83 und war mit ihrer Tochter zum Wandern in der Aletsch Arena im schweizerischen Wallis. Dort fährt der Zug ganz komfortabel direkt unten in die Seilbahnstation – und von dort schwebt man geradewegs hinauf auf das sonnige Hochplateau beim größten Gletscher der Alpen. Auf gut ausgebauten Wanderwegen spazieren hier auch Seniorinnen und Senioren Aug’ in Aug’ mit 40 Viertausendern und dem Aletschgletscher oder steigen bei einer geführten Gletschertour sogar hinab aufs ewige Eis. Wer dann erst so richtig in Fahrt kommt, wie Ursula Saß, schwebt per Tandemflug mit dem Gleitschirm hinab ins Tal. Und das alles ganz altersgerecht.
Frau Saß, Sie sind mit dem Nachtzug aus Hamburg angereist. Hat das gut geklappt?
Ja, das ging sehr gut: Der Zug ruckelt einen gemütlich von Ort zu Ort, ein paar Stunden Schlaf sind auch drin, und am nächsten Morgen ist man schon in der Schweiz! Man steigt um und fährt gegen Mittag mit dem Zug direkt unten in die Seilbahnstation ein. Von dort sind’s noch ein paar Minuten hinauf auf 2000 Meter. Und weil die Orte oben autofrei sind, wird das Gepäck mit Elektrofahrzeugen zur Unterkunft gebracht.
Können Sie denn sagen, was das Schönste in Ihren Ferien war?
Die Wanderung durch den Aletschwald hat mir besonders gut gefallen. Ich wollte unbedingt die uralten Arven sehen, und unsere Wanderführerin hat uns so viele interessante Dinge darüber erzählt … zum Beispiel, dass der Tannenhäher – das ist ein Vogel, der mit dem Eichelhäher verwandt ist – die Samen der Arven sammelt und an markanten Orten für den Winter versteckt. Er findet dann aber nicht alle wieder, und so gehen die Samen auf, und neue Bäume wachsen an diesen Plätzen.
Ist diese Tour denn für jede und jeden geeignet?
Der Weg durch den Wald ist nicht ganz eben, aber Dominique, unsere Wanderführerin, hat mir einen Trekkingstock geliehen, und damit ging’s dann gut. Vielleicht schaffe ich mir doch auch mal Stöcke an …
Waren Sie denn auch ohne Guide unterwegs?
Aber ja, es gibt viele Touren, die man problemlos alleine machen kann. Wir – also meine Tochter und ich – sind zum Beispiel von der Bettmeralp, wo unser Hotel war, mit dem Sessellift zum Wurzenbord gefahren. (Dort ist auch eine nette Hütte zum Einkehren, die Bättmer-Hitta …) Und von dort führt der „Herrenweg“ hinüber zur Fiescheralp – den kann wirklich jeder bequem machen. Als wir dort waren, leuchtete das Laub der Heidelbeeren feuerrot in der Sonne, es war wunderschön. Überhaupt hatten wir die ganze Woche lang großartiges Bergwetter. Dann fährt man mit der Seilbahn hinauf zum Eggishorn, und dort gibt’s auf fast 3000 Metern einen „View Point“, von dem man einen wirklich großartigen Blick auf den Gletscher hat. Und das ganz ohne Anstrengung … (lacht)
Sie sagen „ganz ohne Anstrengung“, weil Sie an Ihre Tour vom Vortag denken, die Sie auf den Gletscher führte, oder? War das Ihre erste Wanderung auf Eis? Wie ging’s?
Ja, das war tatsächlich meine erste Gletschertour. Und sie hatte es schon in sich: Wir sind mit der Bahn zur Moosfluh hochgefahren, ein Stück auf die Seitenmoräne aufgestiegen und dann hinab zum Gletscher, der von Nahem so beeindruckend ist! Wir hatten einen Bergführer, Peter, der uns angeseilt hat und uns auf dem Eis Spikes für die Schuhe gegeben hat. Und er hat uns viel erklärt, gezeigt und uns an eine sehr eindrucksvolle Eishöhle geführt – das Licht scheint dort tiefblau durch das Eis, ein kleiner Bach fließt durch die Höhle, überall plätschert und tropft es. Das hört sich lustig an.
Würden Sie die Tour Gleichaltrigen empfehlen?
Nun, es ist immerhin eine Tagestour, und es geht auf und ab, das ist für uns Flachlandtiroler nicht ohne. Ich würde sagen, die Tour ist schon eher für sportliche Senioren geeignet. Und auf alle Fälle mit Bergführer, da man sich mit dem Gletscher nicht auskennt. Aber wenn man fit ist, ist es wirklich ein tolles Erlebnis.
Sie haben wirklich alle Mutproben mitgenommen, sind sogar Gleitschirm geflogen. Haben Sie das vorher schon mal gemacht? Hatten Sie Bammel beim Start?
Ich muss gestehen, ich bin vor ein paar Jahren schon mal mitgeflogen. Und ich kann alle beruhigen: Es ist überhaupt nicht schwer, der Pilot macht bei einem Tandemflug ja die ganze Arbeit, selber muss man nur beim Start mal drei, vier Schritte laufen. Und dann schwebt man über dem Wald, sieht in jedes dieser kleinen Täler hinein, die Vögel fliegen unter einem hinweg … Es ist wirklich wunderbar.
Wie kommt’s eigentlich, dass Sie so fit sind?
Ich war früher Tänzerin, und die Kondition von damals, die geht nie ganz weg. Zu Hause fahre ich viel Fahrrad … Aber wie gesagt: Viele dieser Touren können wirklich auch weniger trainierte Senioren machen.
Was raten Sie denn älteren Menschen, die in die Alpen zum Wandern kommen?
Ganz wichtig ist, dass man sich nicht hetzen lässt – jeder soll sein eigenes Tempo gehen. Dann sollte man, gerade in höheren Lagen, sich erst mal ein, zwei Tage Zeit lassen zum Akklimatisieren. Vielleicht nicht gleich mit der schwersten Wanderung starten – so wie wir. (lacht) Und bei Pausen setze ich mich nie hin, das habe ich noch vom Ballett: Lieber im Stehen regenerieren, dann kommt man leichter wieder los.
Text: C. C. Schmid
Fotos: © aletscharena.ch