5 Fragen an Sigrun Passelat
Im Jahr 2005 zog sich Sigrun Passelat bei einem Treppensturz eine schwere Verletzung am Knie zu. Aufgrund dessen musste ihr einige Jahre später ein künstliches Kniegelenk eingesetzt werden. Bei der Operation gelangte ein multiresistenter Keim in die Wunde, weshalb unzählige Nachoperationen folgten. Schließlich gab es keine Alternative zur Amputation. 2016 wurde erst ihr Oberschenkel abgenommen. Weitere unumgängliche Nachamputationen folgten. Ende 2018 erhielt Sigrun dann die Diagnose Chondrosarkom (ein maligner Knochentumor). Es erfolgte eine weitere Amputation bis zu einer Stumpflänge von 17 cm. Aufgrund einer erneuten Krebserkrankung im Januar 2021 und einer damit einhergehenden Hüftexartikulation ist eine Beckenkorb-Prothese für September 2021 vorgesehen.
Sigrun arbeitet als Motivationscoach und Prothesenmodel.
Sigrun, wie ging dein Leben nach der Amputation weiter?
Es mag jetzt seltsam klingen: Nach den ganzen Amputationen und der Krebserkrankung ging es in meinem Leben stetig nach oben. Das liegt wohl daran, dass ich mich niemals aufgegeben und meinen Blick auf das Positive gerichtet habe. Ich kann bis jetzt sagen, dass ich mein neues Leben viel intensiver und bewusster wahrnehme und lebe wie vor der Amputation.
Du bist sehr sportlich. Welche Sportarten sind dir möglich und welche nicht?
Als wichtige Info vorab: Alle sportlichen Aktivitäten mache ich ohne Prothese und Rollstuhl, nur auf meinen unteren Sprunggelenken und dem erhaltenen Bein. Ich gehe drei- bis fünfmal in der Woche ins Fitnessstudio, schwimme nebenbei Langstrecken und nehme an Nordic-Walking-Läufen teil.
Ich mag auch mehrstündige Wandertouren mit meinem Mann – auch durch alpines Gelände.
Im Sommer 2021 habe ich das Stand-up-Paddeln entdeckt. Handbike und Liegerad fahre ich ebenso. Was allerdings definitiv nicht mehr funktioniert, ist das richtige Laufen.
Wie geht dein Umfeld mit deiner Amputation um?
Die positiven Erfahrungen in meinem Umfeld werden zum Glück immer mehr. Ich denke, das liegt auch daran, wie selbstverständlich ich mit meiner Amputation umgehe: Ich gehe als gutes Beispiel voran und lebe vor, dass ein Leben nach einer Amputation nicht vorbei ist.
Hast du mit bürokratischen Hürden zu kämpfen gehabt?
Mit meinem Schwerbehindertenausweis gab es keine Probleme. Auch als ich letztes Jahr nach Österreich ausgewandert bin, gab es keine Schwierigkeiten. Ich kämpfe allerdings dafür, dass die Krankenkassen endlich Hilfsmittel wie ein Handbike oder eine Sportprothese mit in ihren Hilfsmittelkatalog aufnehmen. Die Krankenkassen argumentieren bisher, dass dies als Freizeitangebot gilt. Jedoch wird durch solch eine Versorgung die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erst möglich – das interessiert die Krankassen bisher leider nicht. Betroffene müssen diese Hilfsmittel daher leider immer noch privat finanzieren.
Was würdest du anderen Betroffenen raten?
Das Wichtigste ist, sich niemals aufzugeben, auch wenn es manchmal sehr schwerfällt. Besonders hat mir die Einsicht geholfen, dass ich selbst für mein Leben und meine Ziele verantwortlich bin. Es ist an mir, eigene Ziele zu schaffen und zu gestalten. Diese Erkenntnis ist manchmal unangenehm und erfordert Mut, macht aber auch unglaublich frei. Bis jetzt kann ich sagen, dass ich mein neues Leben viel bewusster wahrnehme und wertschätze.
Lieben Dank Sigrun für das Interview!
Ihr könnt Sigrun auch auf Instagram folgen: _fitbionicwomen_
oder einen Blick auf ihre Homepage werfen: www.sigrunpasselat.com
Fotos: privat